In diesem Faden stelle ich Euch Bücher aus der Zeit vor 1914 sowie das Vorgehen der Aquarianer dieser Jahre und die gehaltenen Fischarten vor. Die Aquaristik steckte noch in den Kinderschuhen, konnte aber schon gewaltige Fortschritte machen, seit Emil Adolf Roßmäßler seine Aufsätze „Der Ocean auf dem Tisch“ (1854) und „Der See im Glase“(1856) in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ veröffentlicht hatte. So existierten bereits zahllose Vereine, die sich mit unserem Hobby beschäftigten. Die geschilderten technischen Geräte und die Beckengrößen sind bitte keine Empfehlungen für die Gegenwart. Ich möchte nur einen Einblick in die damalige Aquaristik liefern. Begeben wir uns auf eine Zeitreise, programmieren die Zeituhr und katapultieren uns…
…in das Jahr 1913 und betrachten das Buch „Das Aquarium“ von C. Heller, erschienen im Verlag Quelle & Meyer. Mir liegt die zweite Auflage vor, die erste kam 1908 auf den Markt. Meines Erachtens eines der ausführlichsten und informativsten Bücher der damaligen Zeit. Sehr anschaulich werden dem Leser die technischen Hilfsmittel dieser Zeit näher gebracht. Es gab diverse Heizapparate, die das Wasser z. B. mittels Petroleum- oder Spiritusdochtkerzen, erhitzen. Ein Beispiel sei hier das System „Natura „ von Carl Walter. Der Apparat sorgte auch für Durchlüftung. Eine Petroleumlampe unter einem Kegel am Aquarienboden erhitzt Wasser in einem darüber liegenden, durchlöcherten Kegel. Das erwärmte Wasser steigt nach oben und wird durch ein Rohr zur Wasseroberfläche geleitet und dort entlassen. Durch die Bewegung der Oberfläche entstand eine einfache Durchlüftung. Ähnlich funktionierten die anscheinend sehr verbreitete Heizvorrichtung Praktikus, sowie alle anderen in den Boden eingebauten Heizungen. Es gab aber auch Heizapparate zum Einhängen bzw. Stellen ins Wasser aus verzinktem Kupferblech, deren Brennmaterial alle 25 bis 30 Stunden erneuert werden musste. Als einfachste und kostengünstige Durchlüftung empfiehlt Heller ein Gefäß mit Wasser auf das Aquarium zu stellen. Ein Glasrohr mit Woll- oder Baumwollfäden ließ das Wasser ins Aquarium tropfen. Es versteht sich, dass nicht mehr Wasser im Gefäß sein sollte als das Aquarium noch aufnehmen konnte. Es existierten auch Geräte die mit Druckluft arbeiteten und auch pumpenbetriebene Springbrunnen, letztere waren aber für viele Aquarianer schlicht zu teuer. Viele Aquarien wurden ohne technische Hilfsmittel betrieben. Pflanzen (empfohlen wurden vor allem Hornkraut und Wasserpest) dienten als Sauerstofflieferant, das Licht kam vom Fenster und man wählte Fischarten, die mit niedrigen Temperaturen zurechtkamen.
Hier sehen wir die dritte Auflage von 1924 Inzwischen haben Fischarten ihren Weg ins Hobby gefunden, die 1913 noch keine große Rolle gespielt haben, z. B. Pterophyllum scalare. Andere Arten waren wiederum während des Ersten Weltkrieges in den Aquarien der Liebhaber ausgestorben und mussten neu importiert werden z. B. der Knurrende Gurami (Trichopsis vittata).
Ein einfacher Durchlüftungsapparat: Vom oberen Gefäß wird tropfenweise Wasser ins untere Gefäß geleitet, in dem der Wasserspiegel steigt. Luft wird dadurch in das Aquarium gedrückt.
Eine Übersicht über die importierten exotischen Fischarten bot Dr. E. Bades Buch „Die ausländischen Aquarienfische“, Creutzsche Verlagsbuchhandlung Magdeburg (1914?). Außer der Temperatur spielen Wasserwerte in dem Buch noch keine Rolle. Dass Gesamthärte, Karbonathärte oder ph-Wert einen Effekt auf Haltung und Vermehrung mancher Arten haben, für die erfolgreiche Zucht sogar der entscheidende Faktor sein können, war einfach nicht bekannt. Manche Arten galten daher als schlicht und ergreifend nicht züchtbar.
Unsere Zeitreise geht weiter in das Jahr 1911, in dem das Buch „Süß und Seewasseraquarium“ von Dr. Wilhelm Berndt erschienen ist. Berndt ausführlicher Ratgeber unterteilt die Becken in zwei Kategorien: Das Normalbodenaquarium. Der Bodengrund besteht aus gewaschenem Flusskies, Wert sollte man auf einige Zweige schnellwüchsiger Wasserpflanzen legen (z. B. Hornblatt), technische Hilfsmittel werden keine benutzt. Für die damals häufig verwendete Beckengröße 40x35x30 cm empfiehlt Berndt die Haltung von 3 bis 5 kleinfingerlangen Fischen, die natürlich nicht wärmebedüftig sein sollten. Zitat: „Ein solches Becken kann Jahre lang stehen, ohne dass der Pfleger etwas anderes zu tun hätte, als die Vorderscheibe zu putzen, verdunstetes Wasser nachzufüllen und die überwuchernden Pflanzen abzuschneiden.“ Ich persönlich finde ja, der Aquarianer sollte auch hin und wieder einmal füttern, aber der Satz weist noch auf etwas anderes hin. Vorwiegend wurden damals Altwasserbecken gefahren. In allen Büchern, die ich hier vorstelle, wird Altwasser empfohlen. Wasserwechsel wurden keine vorgenommen.
- Das Nährboden- oder Salonaquarium. Die zweite Aquarienart soll nach Berndt auch anspruchsvollere, aber halt auch dekorativere Pflanzenarten beherbergen. Daher wähle der Aquarianer feine Gartenerde mit einer Schicht Flusssand darüber, um eine Trübung des Wassers zu vermeiden. Eine Durchlüftung wird empfohlen, ein Heizapparat auch, wenn die Fische wärmebedürftig sind. Überhaupt waren offene Aquarien beliebt, aus denen Froschlöffel und Rohrkolben herauswuchsen und manche Pflanze hatte nur so die Chance, ihren Besitzer mit einer Blüte zu erfreuen.
Als Fische für den Anfänger empfiehlt Berndt Arten, die keine Heizung benötigen. Die Erwärmung des Wassers war mit den damaligen Mitteln schon eine Herausforderung.
Ein Aquarium mit Bodenheizung. Die Kerze konnte einfach darunter geschoben werden.
Auf einheimische, selbstgefangene Aquarienfische setzt Leonhardts „Das Süßwasseraquarium“ aus dem Jahr 1900(?) im Verlag Strecker und Schröder. Er erwähnt, dass bereits in diesem Jahr der Kaudi und der Zehnfleckkärpfling mit die günstigsten und weit im Hobby verbreiteten exotischen Zierfische sind, ebenso wie der Makropode. Nach Mergus Band 1 wurde der Kaudi erst 1905 erstmals importiert. Dieses Buch als auch die hohe Verbreitung und der günstige Preis im Hobby vor 1914 spricht für eine frühere Einführung. Heller nennt 1898. Das könnte passen. Eine gewisse Zeit brauchte auch eine unkomplizierte und produktive Art, um im Hobby Fuß zu fassen.
Dieses Forum dreht sich im Schwerpunkt um Killis, Welse und Buntbarsche. Wurden diese Gruppen/Familien vor 1914 in den Aquarien der Liebhaber gehalten?
Killis anscheinend eher nicht, bzw, nur von Killianern, Spezialisten, die es anscheinend schon damals gab. Heller nennt Aplocheilus panchax als einigermaßen im Hobby verbreitete Art, Berndt empfiehlt Oryzias latipes (zumindest denke ich, dass er den meinte)), da die Art keine Heizung benötige, rät ansonsten eher von der Haltung Eierlegender Zahnkarpfen ab oder empfiehlt sie den Könnern. Bei den Welsen sieht es noch schlechter aus, obwohl einige Arten (darunter Corydoras paleatus) importiert worden waren. Bade beklagt, dass diese Gruppe „vernachlässigt“ würde, Heller meint: „...vorzugsweise nächtliche Tiere sind, so ist bei ihnen eine besondere Farbenpracht nicht zu erwarten.“ und Leonhardt rät ab: „...doch bieten sie außer der eigentümlichen Fortpflanzung nicht viel des Anregenden.“Vermutlich entsprachen Welse nicht dem damaligen Zierfischideal, dem entsprachen halt eher Arten, die klassisch in der Wassermitte schwimmen. Cichliden waren vor 1914 vertreten, vor allem mit dem Chanchito (Australoheros facetus), den Heller für größere Aquarien ab 30-40 Liter empfielhlt, ja, die Aquarien waren damals klein. Außerdem erwähnt werden Vielfarbigen Maulbrüter, (Pseudocrenilabrus multicolor) sowie einige Tilapiaarten. Allerdings waren auch sie eher was für Liebhaber, die damit leben konnten, dass die Bewohner schon mal „umdekorierten“
Die Vertreter folgender Familien wurden häufiger gehalten: - Labyrinthfische: Vor allem Macropodus opercularis war beliebt und galt (auch weil er mit niedrigen Temperaturen zurechtkam) als idealer Anfängerfisch, den es zu günstigen Preisen gab. In allen genannten Büchern werden außerdem Betta splendens, Trichogaster trichopterus und Anabas testudineus (Der Kletterfisch, obwohl die Nachzucht nicht gelang) erwähnt, was für eine entsprechende Verbreitung spricht. - Karpfenartige: Natürlich den Goldfisch und seine Zuchtformen muss man erwähnen, einer der beliebtesten, wenn nicht der beliebteste Aquarienfisch dieser Zeit. Auch einheimische Arten (Moderlieschen, Bitterling, Elritze und die Jungtiere größerer Arten) wurden oft gehalten, sicher auch, weil man sie selbst fangen konnte. Einige Barbenarten hatten auch eine gewisse Verbreitung im Hobby. Unsicher bin ich beim Zebrabärbling. Berndt bezeichnet ihn als populär und für 6 Mark bekäme man ein Päärchen. Heller hingegen erwähnt 1913, dass die Art sich sicher bald in den Aquarien durchsetzen würde, aber, so verstehe ich das, es bis dahin noch nicht geschafft hatte. - Lebendgebärende Zahnkarpfen: Eine ganz beliebte Zierfischgruppe. Vor allem war sie einfach zu vermehren und dem entsprechend gut zu bekommen. Einige Arten auch zu günstigen Preisen. Die drei am häufigsten erwähnten Arten (Koboldkärpfling (Gambusia affinis bzw.holbrooki), Kaudi (Phalloceros caudimaculatus) und Zehnfleckkärpfling (Cnesterodon decemmaculatus)) konnte man im unbeheizten Aquarium halten und waren irgendwann für weniger als einer Mark zu haben. Entsprechend verbreitet waren sie in den damaligen Aquarien. Weitere Arten waren bekannt. 1908 kam der Guppy dazu (anscheinend wurde die variable Art mehrmals mit verschiedenen Namen importiert und gehalten, man erkannte erst später das es sich nur um eine einzige Art handelte). Schwertträger gab es 1909 für den stolzen Preis von 50 Mark – für nicht wenige Aquarianer unerschwinglich.
Erwähnen muss man noch die nordamerikanischen Sonnenbarsche. Sonnenbarsch, Diamantbarsch und Scheibenbarsch wurden gepflegt, auch weil keine Heizung benötigt wurde. Salmler waren vor 1914 nur mit wenigen Arten vertreten und spielten im Hobby nur eine kleinere Rolle. Regenbogenfische, Schmerlen und Chichliden aus den ostafrikanischen Grabenseen spielten keinerlei Rolle bzw. wurden noch nicht importiert.
Beenden wir unsere Zeireise mit Dr. Erich Bades „Praxis der Aquarienkunde“. Wir bertrachten Bilder der dritten Auflage von 1911.
Ein schwenkbares Aquarium:
und ein Fenster voller Aquarien:
Wir programmieren schließlich die Zeituhr auf das Jahr 2016. Die Zeitmaschine bringt uns zurück in die Gegenwart und ich hoffe, Euch hat die kleine Reise in die Vergangenheit Spaß gemacht.
Quellen: Carl Heller - Das Aquarium (Quelle und Meyer 1913 u. 1924) Leonhardt - Das Süßwasseraquarium (Strecker und Schröder 1900 oder etwas später) Wilhelm Berndt - Süß- und Seewasseraquarium (Theod Thomas Verlag 1911) E. Bade - Die ausländischen Aquarienfische (Creutzsche Verlagsbuchhandlung 1914) E. Bade - Praxis der Aquarienkunde (Creutzsche Verlagsbuchandlung 1911)
Hallo Jürgen, Vielen Dank für den sehr ausführlichen Rückblick. Hat mir sehr gut gefallen die Bücher kannte ich noch nicht. Hast dir sehr viel Mühe gemacht und uns mit auf die Zeitreise genommen. Jetzt hat es sich für mich schon gelohnt diese Rubrick eröffnet zu haben. Tschau Steffen
Für meine kleine Sammlung habe ich etwas Neues ergattern können:
Das Zimmer-Aquarium und seine Einrichtung von Dr. A. Hellbach, Offenstadt und Fellheimer, Nürnberg, 2. Auflage aus dem Jahr 1900, wahrscheinlich etwas früher.
Technische Hilfsmittel werden kaum empfohlen. Als Durchlüftung wird geraten von Zeit zu Zeit, wenn die Fische "nach Luft schnappen", mit einer Luftpumpe oder einem Küchenblasebalg ins Aquarium zu pumpen. Auch hier wird ein Springbrunnen erwähnt, sogar mit Bauleitung. Mal sehen, vielleicht baue ich das mal bei Gelegenheit nach.
Als Bewohner dominieren einheimische Fische und diverse Kleintiere. An Exoten werden nur Goldfisch, dessen Zuchtformen, Makropode (der auch hier als idealer Aquarienfisch angepriesen wird), Schützenfisch, sowie Betta splendens erwähnt. Kein Lebendgebärender und interessanterweise auch kein Sonnenbarsch.
Allerdings wird ein Fisch genannt, der eine Länge von bis zu einem Meter errreichen soll: Osphromenus olfax.Vielleicht ist Osphromenus goramy gemeint. Das Bild zum Fisch passt aber überhaupt nicht:
Vielleicht war der Autor einer Verwechslung aufgesessen. Das Bild könnte Trichogaster fasciata zeigen, der 1897 von Paul Matte eingeführt wurde.|addpics|6a1-s-fc1c.jpg-invaddpicsinvv,6a1-q-7c24.jpg-invaddpicsinvv|/addpics|
Hallo Jürgen, Ein wirklich schöner Beitrag! Danke dafür. Ich komme momentan leider nicht so oft zum Lesen, aber dieser hat mich dich sehr interessiert.